Wie sich Bewegungen harmonisch ergänzen und aufbauen können - ein Kurzzyklus

 

Dieser Zyklus von drei asana soll als kleines Beispiel dienen, wie sich Bewegungen einerseits innerhalb einer Übung und andererseits durch ihre Kombination mit anderen Übungen rhythmisch aufbauen und sinnvoll ergänzen können. Dieser Zyklus besteht aus Schulterstand, Pflug und Fisch.

 

Sich ergänzende und rhythmisch aufbauende Bewegungsabläufe innerhalb der Übung

 

Der Schulterstand, sarvangasana

 

Der Schulterstand ist eine Umkehrstellung. Kopf, Nacken, Schultern, Oberarme bilden die ruhige Basis auf dem Boden. Aus dem Brustkorb bzw. der Dynamik der Brustwirbelsäule richtet sich der Körper umgekehrt auf. Bauch und Becken sind angehoben und die Beine streben nach oben in die Vertikale.

 

Die Bewegung entwickelt sich nun nicht einfach aus dem Hochstemmen des Körpers nach oben und dem Abstützen auf die Hände, sondern aus einem sorgfältig abgestimmten Verhältnis:

 

  • Kopf und Nacken liegen gelöst am Boden auf. Sie bilden die ruhige Basis, damit sich die Dynamik nach oben in der Brustwirbelsäule zentrieren kann. Wenn der Nacken bewusst entspannt wird, findet man leichter die Kraft in der Brustwirbelsäule.
  • Der Brustkorb, der Herzbereich, das sog. anahata-cakra, bildet das Zentrum und die Mitte für die Stellung. Aus ihm erfolgt das Anheben des restlichen Körpers nach oben. Von dieser Mitte ausgehend strebt der Körper nach oben.
  • Der Bauch wird entspannt, sodass die Atmung frei in die Tiefe fließen kann, und die Beine setzen die hochstrebende Dynamik aus der Wirbelsäule nach oben fort, bleiben geschlossen und gestreckt, aber leicht und wie balancierend. 

 

Wenn man die Art der Bewegung empfindungsmäßig mit einfachen Linien darstellen möchte, dann kann man dies so zeichnen:

 

Nicht eine strenge, senkrechte gerade Linie verdeutlicht die Art Bewegungsdynamik, sondern zwei leicht, wie schwebend hochsteigende Linien, die sich nach oben öffnen. Stellt man sich dies immer wieder vor, so kann man die Art der Bewegung leichter umsetzen.

 

 

Der Pflug, halasana

 

Beim Pflug werden die Beine nicht wie beim Schulterstand nach oben geführt, sondern hinter dem Kopf zum Boden abgesenkt. Das Zentrum der Stellung ist nicht die Herzregion, sondern der Bereich Rückenmitte-Zwerchfell. Diese Region ist nach der Chakrenlehre das sog. manipura-cakra und aus diesem entwickelt sich eine sich zentrifugal ausdehnende Dynamik und Spannkraft der Wirbelsäule.

  • Kopf, Nacken, Schultern und Arme bilden wieder die entspannte Basis am Boden. Die Finger sollten nur verschränkt werden, wenn die Schultern dabei relativ entspannt bleiben können.
  • Bevor sich die Füße vollständig zum Boden absenken, dehnt sich die Wirbelsäule aus dem Brustkorb und der Mitte des Rückens in der Weise aus, dass sich die Flanken weiten und das Becken anhebt und sich dann die Dynamik in die Beine fortsetzt.
  • Die Beine bleiben gestreckt (dadurch kann die Stellung stabiler gehalten und geführt werden) und die Füße senken sich langsam zum Boden. Haben sie den Boden berührt, so richtet man die Zehen kopfwärts. Die Beine bleiben in der Fortsetzung der Rückenausdehnung.

 Hier sind es zwei Bewegungsrichtungen, die sich gegenseitig ergänzen: 

 

Die Beine gleiten aus der Ausdehnung der Wirbelsäule nach hinten aus und die Arme gleiten in die andere Richtung dem Boden entlang. Das Zentrum ist das manipura-cakra, die Wirbelsäule dehnt und weitet sich aus diesem Zentrum und gleitet aus über die Beine und die Arme.

 

Der Fisch, matsyasana

 

Diese rückwärtsbeugende Übung öffnet den Brustkorb im Gegensatz zu der engen Position bei Schulterstand und Pflug. Aus einer schmalen Rückenlage am Boden hebt sich der Brustkorb an und wölbt sich in eine Rundung. Der Kopf ruht entspannt mit dem Scheitel am Boden, die Hüften und Beine bleiben ebenfalls in ihrer Bodenlage.

  • Aus der Brustwirbelsäule, im Bereich zwischen den Schulterblättern, erfolgt das zentrierte Anspannen und Anheben des Brustkorbs. Dieser öffnet und rundet sich. Der Bereich der Schlüsselbeine ist leicht gedehnt und kann als sensibler Bereich wahrgenommen werden.
  • Wenn der Brustkorb weit hochgewölbt ist, lässt man den Kopf locker zurückfallen, setzt ihn am Scheitel auf. Die Spannung bleibt dabei in der Brustwirbelsäule bewahrt. Je zentrierter die Spannung in der Brustwirbelsäule, umso gelöster können Kopf, Nacken, Gesicht bleiben.
  • Nach unten hin bleiben Bauch und Beine entspannt und die lange, schmale Form bewahrt.

Die Bewegung wirkt wieder harmonisch zusammen, wenn man fein abstimmt zwischen Entspannung und Anspannung:

Der Brustkorb als Mittelteil verweilt in der Anspannung und maximalen Anhebung, nach oben hin bleiben Kopf, Gesicht, Nacken, Schultern entspannt und nach unten hin der Bauch, die Hüften und Beine. Aus dieser Gliederung kann eine feine, zur Brustwirbelsäule hin zentrierende Bewegung entwickelt werden.

 

Sinnvolle Kombinationen von Übungen bereichern das Erleben

 

Bei diesen 3 Übungen nimmt der Schulterstand eine Mittelstellung ein.

Schon an der Form lässt sich dies erkennen: Der Schulterstand ruht umgekehrt im balancierten Lot und strebt nach oben. Der Pflug senkt die Beine in die Richtung hinter den Kopf und die Rückseite und die Flanken dehnen sich weit. Der Fisch bleibt - im Vergleich zum Pflug wie in die andere Richtung - lang gestreckt auf dem Boden, nur der Brustkorb wölbt sich in die Offenheit.

 

Im Schulterstand kann man sich der Bedeutung des Herzzentrums, anahata-cakra, annähern, im Pflug dem Zentrum unterhalb des Herzens, dem manipura-cakra, und im Fisch dem Zentrum oberhalb des Herzens, dem vishuddha-cakra, bei den Schlüsselbeinen. Das Herzzentrum bildet die Mitte, umrahmt von dem manipura- und vishuddha-cakra.

 

Ruhe, Innerlichkeit und Sammlung im Herzen entstehen durch das Erlernen des Schulterstands. Weite, Ausdehnung, intensive Durchatmung bis in die Flanken und die Empfindung der Bodenberührung prägt das Erleben beim Pflug. Sensible Offenheit und eine differenzierte Wahrnehmung sowie eine sehr feine Atmung können sich mit dem Fisch entwickeln.