Die Körperübungen des Yoga, die Asana, können von vielen verschiedenen Seiten betrachtet werden. Von der körperlichen Seite beispielsweise sind sie bei entsprechender Ausführung wertvoll, da sie sehr ausgeglichen und harmonisch alle Glieder, Muskeln, Regionen des Körpers ansprechen, den Atem beleben und verfeinern und sowohl die Spannkraft und Stabilität als auch die Beweglichkeit und Geschmeidigkeit des Körpers fördern. Von der Psyche oder dem Bewusstsein her gesehen, ist es möglich, durch das Üben eine gewisse Ruhe, Abstand vom Alltagsgetriebe und innere Ordnung zu finden, in der sich fixierte Strukturen etwas loslösen können und Raum für neue Ideen und Eindrücke geschaffen wird. Von einem künstlerischen Blickwinkel können die Asana auch von der Ästhetik und Harmonie betrachtet und mehr in die Richtung einer empfindsamen Bewegungskunst entwickelt werden. Von der spirituellen Seite können sie aber auch wie eine Meditation gesehen werden, als Übungen, die der tiefgründigen Auseinandersetzung mit geistigen Fragen gewidmet sind.
Wie immer man die Schwerpunkte und Ziele auch für sich festlegt, verbleibt nach meiner Erfahrung die grundlegende Frage, von welchen Gedanken und Vorstellungen ausgehend man zur Praxis schreitet. Das gilt auch dann, wenn man sich mit den Übungen einfach nur körperlich fit und beweglich halten will und nicht mehr in die Tiefe gehen will. Wenn logische Bilder und geordnete Gedanken, die die körperlichen Umstände wie auch die seelisch-geistigen Entwicklungsmöglichkeiten berücksichtigen, das Üben begleiten, kann sich diese Ordnung auf den Körper und Organismus übertragen und somit die Gesundheit fördern. Es wirken dann von der Bewusstseinsaktivität ausgehende, aufbauende und harmonisierende Einflüsse auf den Körper. Die Muskulatur wird beispielsweise nicht verhärten und übersäuern, sondern sie wird weich und spannkräftig zugleich.
Somit erscheinen in jeder Hinsicht - gleich ob die Zielsetzung mehr auf der körperlichen, seelischen oder geistigen Seite liegt - geeignete Inhalte für die regelmäßige Yogapraxis wesentlich. Aus diesem Grund sind auch die Inhalte, wie sie beispielsweise Heinz Grill in geistiger Forschungsarbeit entwickelt und in vielen Büchern beschrieben hat, so wertvoll, weil sie in besonderer Weise gesunde Entwicklungen einleiten können. Auch wenn man „nur“ körperlich ein wenig üben will, kann man nicht leugnen, dass es noch andere Wesensanteile gibt, die über den Körper hinausgehen und diesen beeinflussen, und dass seelische oder spirituelle Entwicklungsbedürfnisse mehr oder weniger bewusst immer vorhanden sind.
Wie die aktuelle Zeit so deutlich zeigt, reduziert man alles gerne auf die Materie und möchte man in dieser den Ursprung allen Geschehens festlegen. So wie man anscheinend überzeugt ist, dass ein einzelnes Virus über Leben und Tod entscheiden kann und der Mensch diesem hilflos ausgeliefert ist, so wird auch beim Yoga häufig so gedacht, dass allein die körperliche Seite der Übung Gesundheit und Entwicklung hervorruft. Wenn man sich aber erinnert, dass es ja auch ein Bewusstsein, die Seele und den Geist gibt, und dies anerkennt, dann bemerkt man schnell, dass man den Gedankenansatz umdrehen muss: Nicht von der Materie geht alles aus, sondern von den großen schwer fassbaren Regionen von Seele und Geist und dem verbindenden greifbareren Glied des Bewusstseins, das man schöpferisch und aktiv gezielt einsetzen kann. Dann relativieren sich, bei allem gesunden Respekt vor Krankheiten, auch die Ängste, denn man weiß, dass man selbst aktiv das Leben in die Hand nehmen und etwas für die Entwicklung des eigenen und des gemeinschaftlichen Lebens tun kann. Wenn man also das Bild umdreht, wird man ruhiger, stabiler und entdeckt viele neue Möglichkeiten und Kräfte für eine gesunde, selbstbestimmte Zukunft.
In diesem Sinne möchte ich in diesem Artikel einmal herausarbeiten, wie jede einzelne Yogaübung aufgrund ihres Inhaltes und Sinnbildes eine Perspektive für die Zukunft eröffnen kann. Das Wort „Perspektive“ bedeutet ja, dass sich eine völlig neue Möglichkeit auftut. Die Augen öffnen sich für etwas, was sie bisher noch nicht wahrgenommen haben. Der Standpunkt verlagert sich in eine Position, von der aus sich neue Ausblicke eröffnen.
Der Kopfstand, sirsasana
Im Kopfstand ist der Mensch umgekehrt zur normalen aufgerichteten Haltung. Der Kopf ist unten, die Füße oben, der Körper richtet sich vertikal in umgekehrter Form auf.
Wenn man den Kopfstand ganz neu lernt, dann braucht es als körperliche Voraussetzung etwas Stabilität und Kraft im Rücken. Von mentaler Seite ist wirklich Mut und eine gewisse Disziplin gefordert, weil die Umkehrung so ungewöhnlich für das Erleben ist und man wie den Überblick verliert bzw. diesen bewusst neu herstellen muss.
Mit der Zeit, wenn der Kopfstand einmal leicht und mühelos gelingt, braucht es nicht mehr viel Kraft oder Mut. Doch die Übersicht oder den klaren, konzentrierten Gedanken zur vertikal umgekehrten Form benötigt es immer, um den Kopfstand halten zu können. Sie geben die mentale Stabilität für die Stellung.
Der Kopfstand ist durch diese, durch den klaren Gedanken bewirkte Stabilität gekennzeichnet.
Es ist auch das imaginative Sinnbild: Der Kopfstand ist Ausdruck für den klaren und konkreten Gedanken. Er formt sich in 3 Schritten, indem zuerst der Kopf ruhig platziert, dann der Rücken aufgerichtet wird und zuletzt die Beine in die vertikale Linie geführt werden. Das Platzieren des Kopfes in bewusster, ruhiger Form auf dem Boden als erster Schritt bedeutet so viel wie das Platzieren eines klaren Gedankens, welcher immer am Anfang einer Aktion stehen sollte. Die vertikale Linie drückt den klaren und konkreten Gedankens aus.
Es wird auch die Frage gestellt: Wo lebt der Gedanke? Lebt er im Gehirn oder sonst irgendwo im Körper? Die Antwort ist, dass er eine geistige Kraft ist, die unabhängig vom Körper existiert:
„Die vertikale Linie offenbart die Natur des Gedankens, der in sich selbst konkret, klar ist und eine Himmelskraft, eine geistige Substanz selbst, darstellt. In diesem Sinnbild, das der lebendigen Erfahrung zugänglich ist, liegt die Bedeutung dieser grazilen asana.“
(Die Seelendimension des Yoga, Heinz Grill)
Welche Perspektive für das Leben oder die Zukunft kann sich damit eventuell eröffnen?
So wie der Kopfstand mit diesem Sinnbild hier gleich als Erstes beschrieben ist, steht ebenso am Anfang jeder Aktion, bevor alles Weitere kommt, der klare Gedanke. Wenn man Ziele aufbauen möchte und Lebensperspektiven neu aufstellt, dann kann man also eventuell sagen, dass der erste Schritt dorthin ein klarer und konkreter Gedanke über eine zukünftige Form ist. Diesen braucht es am Anfang.
Dass der Gedanke eine „Himmelskraft, eine geistige Substanz“ sei, kann man sich dabei einfach wie einen Meditationsinhalt vergegenwärtigen. Es wird deutlich, dass damit nicht ein Denken, dass verkrampft grübelt und zwanghaft eine Idee hervorzubringen versucht, sondern wirklich eine geistige Kraft gemeint ist. Was ist dieser klare, konkrete Gedanke?
Zuerst formt man ruhig mit den Unterarmen ein Dreieck, verschränkt dabei die Finger und bereitet mental die Bewegung vor, dann wird der Kopf bewusst auf dem Boden platziert und als nächstes der Rücken aufgerichtet, bis er in der vertikalen Linie ist.Zuletzt folgen die Beine in die Vertikale (hier in angewinkelter Form, man kann auch ein Bein nach oben strecken und das andere nachfolgen lassen).
Der Schulterstand, sarvangasana
Der Schulterstand ist wie der Kopfstand eine Umkehrhaltung, die in die Vertikale strebt. Ein Unterschied zum Kopfstand besteht darin, dass der Kopf nicht direkt in die Bewegung und in die vertikale Linie einbezogen ist. Er bildet mit dem Schultern und Oberarmen die ruhige Basis auf dem Boden. Die dynamische Bewegung entspringt aus der Brustwirbelsäule und fließt aufsteigend nach oben. Der Herzbereich, das anahata-cakra, ist das Zentrum, aus dem die Dynamik des Aufrichtens entspringt und sich auch wieder in dieses zurück sammelt.
Durch diese Bewegung aus dem Herzbereich verbunden mit der geneigten Kopfregion, ist die Schwerkraft, die es zu überwinden gilt, viel stärker spürbar als beim Kopfstand. Im Kopfstand ruht man wach, konzentriert in einer vertikalen Linie. Im Schulterstand bleibt die Bewegung in einem beständigen Nach-oben-Fließen entgegengesetzt zur Schwerkraft. Darin liegt ein wesentlicher Aspekt des Schulterstands: das Fließen der Kräfte in lebendiger Leichtigkeit nach oben.
Das Empfinden im Schulterstand ist dadurch fließender und innerlicher als beim Kopfstand. Das Herz rückt ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Das Herz als Organ bildet den Mittelpunkt des Kreislauflebens und ist auch das zentralste aller Organe. Das Herz wird im übertragenen Sinn, auf die seelische Ebene bezogen, als eine Art innere Mitte bezeichnet:
„Das menschliche Herz, das im feineren Sinne seinen innersten seelischen Reichtum verkörpert, kann durch den Schulterstand einen bildhaften Ausdruck erhalten. Sarvangasana bildet im Ausdruck von Sinngebung und Inhalt die erste Säule für eine Zukunft.“ (aus: Drei Säulen für die Zukunft - https://heinz-grill.de/corona-menschliche-werte/)
Hier wird das Herz mit dem innersten seelischen Reichtum des Menschen, mit Sinngebung und Inhalt in Zusammenhang gebracht. Denkt man diese Aussage weiter und fragt man sich, was es in Bezug auf Zukunftsperspektiven bedeuten kann, so kommt man zu den Gedanken, dass es ja eigentlich der innere seelische Reichtum ist, den man ersehnt. Inhalte und sinnerfüllte Arbeiten, Beziehungen, Handlungen, sind der Reichtum, mit denen man das Äußere erst erfüllen kann. Inhalte und Ideale aufzubereiten, erfüllt den Menschen seelisch, und dadurch eröffnen sich erst Möglichkeiten und Visionen für die Zukunft. Hat man beispielsweise ein Haus, kann man sich die Frage stellen, mit welchem Inhalt und Sinn man es füllen und beleben möchte. Soll es nur zum praktischen Wohnzweck dienen oder könnte man es weiterdenken, welche Werte, Freundschaften und Entwicklungen in diesem Haus entstehen könnten?
Bei den Yogaübungen ist es ebenfalls so, dass diese so lange rein technisch oder sportlich und damit eher leer bleiben, solange man sie nicht mit forschenden Inhalten belebt.
Für die Zukunftsperspektiven kann man daher eventuell ableiten, dass es ein Ziel für die Zukunft sein könnte, sich konkrete Inhalte und Themen vorzunehmen, mit denen man sich intensiv auseinandersetzt. Einfach intellektuell zu lernen oder Informationen anzusammeln ist hier nicht gemeint, sondern ein Lebensgebiet oder Thema seelisch-geistig fachkundig zu durchdringen. Aus dieser inhaltlichen Arbeit folgen schließlich weitere Überlegungen, wie man sich damit zu anderen Menschen in Beziehung bringt, welche äußere Arbeit damit entstehen könnte, welche Räumlichkeiten dafür benötigt werden, etc..
Ausgehend vom Schulterstand und seinem Inhalt kann die Zukunftsperspektive kreiert werden, dass man sich gezielt, bewusst und konkret ein schönes, wichtiges Thema oder Lebensgebiet auswählt und sich diesem in allen Facetten widmet, es mit verschiedenen Ebenen des Lebens in Beziehung bringt, mit den sozialen Verhältnissen, den eigenen innersten Entwicklungsbedürfnissen und mit spirituellen Idealen und Werten. Eine Veränderung der äußeren Lebensbedingungen wird vermutlich sofern es ansteht ganz natürlich im Laufe der Zeit damit einhergehen.
„Die Yogaübung als künstlerischer Ausdruck kann auf subtile Weise zum Beispiel die Herzmitte oder allgemein das Zentrum der Seele repräsentieren.
Was ist aber dieses Zentrum der Seele? Es ist durch reichhaltige sinnerfüllende Taten, Gedanken und Ideale gekennzeichnet.
Die Mitte des Menschen ist nicht durch ein emotionales Gefühl oder ein im Moment bestehendes Gleichgewicht gegeben,
sie ist vielmehr durch den Reichtum seiner inhaltlichen Bewusstheit verankert.“
Es wird auch bewusst, dass sich inhaltlicher seelischer Reichtum und Konsum als krasse Gegensätze gegenüberstehen. Mit Interessen, Themen, Idealen und innerer Erfülltheit weicht das extreme Konsumieren zurück. Die Auseinandersetzung ist dann nicht einfach nur Zeitvertreib, sondern erfüllt das Leben mit Tatendrang, Kreativität und Freude.
Die Kopf-Knie-Stellung, paschimothanasana
So wie der Kopfstand dem Gedanken oder Denken und der Schulterstand dem Empfinden oder Fühlen zugeordnet ist, so zeigt sich in der Kopf-Knie-Stellung mehr das Willenselement und eine bewusste Handlungskraft. Das heißt aber nicht, dass es kein Denken oder Empfinden braucht und dass nur der Willenseinsatz zählt. Die mentale und empfindende Aufmerksamkeit ist bei jeder Übung wichtig und hat auch für den gesunden Willenseinsatz eine besondere Bedeutung.
Bei der Kopf-Knie-Stellung verhält es sich beispielsweise so: Die Dynamik und Kraft zentriert sich sehr gezielt in die Rückenmitte, genau genommen im Bereich des 10.-12. Brustwirbels. Aus dieser Zentrierung wächst die Wirbelsäule dynamisch in ihre größtmögliche Streckung und Längsdehnung nach vorne, weit über die Beine hinaus. Bei dem starken Einsatz, den diese Bewegung erfordert, kann es leicht passieren, dass ein gewisser Zwang, Druck nach unten und eine Fixierung entstehen. Den Zwang sollte man jedoch unbedingt vermeiden lernen und dies gelingt mit der Zeit immer mehr, wenn man die Schultern, Nacken und Arme bestmöglich entspannt und wenn man sich mental und empfindungsmäßig auf den umliegenden Raum ausrichtet. Man wird sich des Raumes, der einen umgibt und der mit schwereloser Luft erfüllt ist, bewusst. Diese Art Aufmerksamkeit kann mit einer einfachen vorbereitenden Bewegung sehr fein und eindrücklich angeregt werden, indem man in der Sitzhaltung mit gestreckten Beinen und aufgerichtetem Rücken mehrmals die Arme in weitem, freien Bogen nach oben führt und dabei auf eine ganz leichte, gelöste Bewegung mit entspannten Schultern achtet. Gleichzeitig blickt man nach außen und erlebt bewusst den Raum, in dem man sich befindet. Die Hüften und Beine bleiben dabei als ruhige Basis auf dem Boden. Mit dieser empfindsamen leichten Bewegung entwickelt sich eine Sammlung in der Rückenmitte, beim Sonnengeflecht, die ganz natürlich zu einem zunehmend dynamischen Wachsen in der Wirbelsäule führt.
Mit diesem Verhältnis von Gelöstheit und Zentrierung kann man nun viel zwangfreier in die nächste Phase der Übung weitergehen und sich aktiv nach vorne hinausstrecken. Die Bewegung bleibt dabei in dem Langwerden nach vorne und hält dieses auch eine Zeit lang aufrecht. Man geht nicht sofort hinunter in die Wölbung zu den Knien. Möglichst gelassen, ausdauernd stellt man immer wieder dieses Verhältnis her: Gelöstheit in Schultern, Kopf, Armen und Dynamik, einsatzfreudiges Wachsen aus der Rückenmitte. Erst nachdem die größtmögliche Längsstreckung entwickelt ist, gibt man die Hände zu den Füßen und kommt schließlich in dieser vorwärtsbeugenden, geschlossenen Form zur Ruhe. Auch in der Ruhephase achtet man darauf, dass das Verhältnis von Gelöstheit und Zentrierung bleibt. Man löst auch bewusst alle unnötigen Fixierungen in der Muskulatur und im Atemfluss.
In diesem Sinn drückt die Kopf-Knie-Stellung einen sehr aktiven, aber zwangfreien Willenseinsatz aus, bei dem wirklich Freude aufkommt. Es entsteht auch ein Gefühl des befreienden Ausdehnens, denn man wächst mit gesundem Einsatz und aus eigener Kraft über seine Grenzen hinaus und begibt sich nicht in eine Enge der nur hinuntergedrückten Beugung.
Was kann man daraus auf den Aufbau von Perspektiven bzw. die Umsetzung von Zielen übertragen?
Man könnte es vielleicht so beschreiben. Wenn man unbedingt ein Ziel erreichen oder etwas auf die Beine stellen will, dann braucht es nicht nur den Willenseinsatz, sondern dieser sammelt sich erst dann auf gesunde, freie Weise, wenn man mit einem weiten Blick nach außen, einer Wahrnehmung zum Raum rundherum und zur Umgebung, mit Interesse zum Leben außen schaut.
Ein weiterer Aspekt:
Die Imagination zur Kopf-Knie-Stellung heißt: „In-die Materie-Hineingehen“. Übt man die Kopf-Knie-Stellung mit diesem Gedanken, bemerkt man mit der Zeit, wie wirklich mit dieser Bewegung und Position ein leises Empfinden der Nähe zum Körper oder allgemein ausgedrückt zur Materie entsteht. Mit einem grenzüberschreitenden Strecken des Rückens wächst man praktisch den Spannungen und körperlichen Widerständen entgegen, bleibt dabei geduldig und wachsam und schließt zuletzt die Bewegung in die vorwärtsbeugende, weit ausgedehnte Form nahe den Beinen zusammen.
Man geht nicht nur bis zu den Widerständen und bleibt dann in relativ entspannter Beugung, sondern man sucht die Spannungen und Widerstände auf, bricht sie nicht, aber weicht auch nicht zurück, und wächst dann sogar ein wenig über sie hinaus. Man geht wie auf den Körper zu und setzt sich damit auseinander. Das erlebt man dann mit einem gewissen Empfinden der Nähe, Ruhe, Zufriedenheit.
Diese Art Aktivität kann man sich auf das Leben oder auf Projekte übertragen so vorstellen: Man wählt ein Objekt, Thema oder einem Arbeitsprojekt und widmet sich diesem länger. Man streift es nicht nur an der Oberfläche, indem man zB nur einige schnelle Informationen sammelt, sondern man durchdringt es von verschiedenen Richtungen, vertieft es, lernt es verstehen, bis man darin wirklich gegründet ist, sozusagen Fachmann ist. Das erfordert Einsatz, Ausdauer, Hinauswachsen über scheinbare Grenzen, Ängste oder Widerstände, und Hinwendung. Streift man Dinge immer nur an der Oberfläche, dann lernt man sie nicht wirklich kennen und kann auch innerlich nicht wachsen. Setzt man sich intensiv mit etwas auseinander, wird es vertraut, rückt es näher, eine Beziehung entsteht. Gleichzeitig reift man selbst mit der eigenen Auseinandersetzung und fühlt sich gestärkt, erfüllt und zufrieden.
Dies sind einmal drei Beispiele, wie man Yogaübungen eventuell weiterdenken kann. Wie oben beschrieben können sie jeweils auch den drei Seelenkräfte zugeordnet werden: Den Kopfstand mehr zum Denken, den Schulterstand zum Fühlen/Empfinden und die Kopf-Knie-Stellung dem Willen.
Jede Asana kann in diesem Sinne erarbeitet werden: Von der "Imagination", der Grundidee oder dem seelischen Sinnbild, ausgehend denkt und gestaltet man sie weiter hinein in die körperliche Ausführung und dem Erleben in der Stellung bis hin zum praktischen Lebensbezug.
Drehsitz, Baum, Dreieck wären weitere Beispiele, an denen man sich üben kann vom Vorstellen des seelischen Sinnbilds zur praktischen sorgfältigen Ausführung bis hin zu Umsetzungsmöglichkeiten für das Leben: